3. Die Kraft des Schamanismus zur Heilung emotionaler und körperlicher Krankheiten
Schamanismus: Ein kurzer Überblick
Schamanismus ist die älteste spirituelle Praxis der Menschheit. Viele Anthropologen glauben, dass die Praxis über 100.000 Jahre alt ist.
Das Wort „Schaman*in“ kommt vom Stamm der Tungusen in Sibirien und bedeutet spirituelle Heiler*in oder eine, die im Dunkeln sieht. Schamanismus wurde in Sibirien, Asien, Europa, Afrika, Australien, Grönland und in Nord- und Südamerika praktiziert.
Eine Schaman*in ist eine Person, die die Fähigkeit nutzt, „mit dem starken Auge“ oder „mit dem Herzen“ zu sehen, um in verborgene Welten zu reisen. Die Schaman*in interagiert direkt mit den Geistern, um den spirituellen Aspekt der Krankheit anzugehen und Seelenrückholungen durchzuführen, verlorene Kraft zurückzugewinnen und spirituelle Blockaden zu beseitigen. Die Schaman*in sagt auch Informationen für die Gemeinschaft voraus. Schaman*innen sind und bleiben Heiler*innen, Ärzt*innen, Priester*innen, Psychotherapeut*innen, Mystiker*innen und Geschichtenerzähler*innen.
Der Schamanismus lehrt uns, dass alles, was existiert, lebendig ist und einen Geist hat. Schaman*innen sprechen von einem Netz des Lebens, das alles Leben und den Geist, der in allen Dingen lebt, verbindet. Alles auf der Erde ist miteinander verbunden und jeder Glaube, dass wir von anderen Lebensformen wie der Erde, den Sternen, dem Wind usw. getrennt sind, ist eine reine Illusion. Es ist die Rolle der Schaman*in in der Gemeinschaft, die Harmonie und das Gleichgewicht zwischen Mensch und Naturgewalten zu erhalten.
Es gibt eine Vielzahl von Zeremonien, die Schaman*innen durchführen. Sie leiten Willkommenszeremonien für Neugborene, führen Eheschließungen durch und helfen Menschen beim Übergang an einen guten Ort zum Zeitpunkt des Todes. Sie führen Zeremonien durch, um den Tod von Angehörigen zu betrauern. Es werden wichtige Einweihungszeremonien durchgeführt, um bestimmte Übergänge im Leben eines Menschen zu markieren, wie z.B. den Übergang von der Kindheit zum Erwachsenen.
Eine der großen Zeremonien, die eine Schaman*in durchführt, wird als schamanische Reise bezeichnet. Ein Schamane ist ein Frau oder ein Mann, die in einen veränderten Bewusstseinszustand geht und außerhalb der Zeit in verborgene Welten reist, die viele als nichtalltäglich bezeichnen. Ich sehe die nichtalltägliche Realität als ein Paralleluniversum zu unserem. Die australischen Ureinwohner nennen das Nichtalltägliche die Traumzeit. In den keltischen Traditionen wird sie auch als die Anderswelt bezeichnet.
In diesen verborgenen Realitäten gibt es helfende Geister, mitfühlende Geister, die ihre Führung und auch ihre heilende Hilfe für alles Leben auf Erden anbieten.
Typischerweise benutzen Schamanen eine Form von Perkussion, insbesondere Trommeln oder Rasseln, um in einen veränderten Zustand zu gelangen, der es der freien Seele der Schaman*in erlaubt, in die unsichtbaren Welten zu reisen. In Australien sieht man auch Schaman*innen, die das Didgeridoo und/oder Klicksticks benutzen. Einige Traditionen verwenden Stöcke oder Glocken. Auch die Sami in Lappland und Norwegen verwenden monotone Gesänge, die als „joiking“ bezeichnet werden.
Wissenschaftliche Untersuchungen haben ergeben, dass sich unsere Gehirnströme in einem Beta-Zustand befinden, wenn wir im alltäglichen Bewusstseinszustand sind. Aber wenn die Schaman*in oder die schamanische Praktiker*in einen rhythmischen oder monotonen Trommelschlag hört, verlangsamen sich die Gehirnwellen, zuerst in einen Alpha-Zustand, der ein leichter, meditativer Bewusstseinszustand ist, und dann in einen tieferen Zustand, der Theta-Zustand genannt wird. Und das ist der Zustand, der es der freien Seele der Schaman*in erlaubt, in die unsichtbaren Welten zu reisen und Zugang zu helfenden Geistern zu haben.
Wenn man die schamanischen Traditionen betrachtet, die weltweit praktiziert werden, gibt es drei gemeinsame Ebenen, über die gesprochen wird und die auch in verschiedenen Gemälden und anderen Kunstwerken dargestellt werden. Die verborgenen Welten, zu denen der Schamane reist, werden als Untere Welt, Mittlere Welt und Obere Welt bezeichnet. Es gibt zahlreiche Ebenen sowohl in der Unteren Welt als auch in der Oberen Welt und sie befinden sich außerhalb der Zeit.
Schamanismus ist ein System der direkten Offenbarung. Es ist möglich, dass Schaman*innen ihre Erfahrungen auf verschiedene Weise beschreiben. Und sie erlangen wahre Schönheit, wenn diese verschiedenen Erfahrungen interpretiert und dann von anderen wahrgenommen werden.
In den unsichtbaren Bereichen der nichtalltäglichen Realität gibt es eine Vielzahl von Hilfsgeistern, die Schaman*innen bei der Heilung von Einzelpersonen, der Gemeinschaft und dem Planeten helfen können.
Die beiden häufigsten Arten von Geistern, die in Partnerschaft mit Schaman*innen arbeiten, sind Krafttiere, auch Schutzgeister genannt, sowie Lehrer in menschlicher Form.
Schamanische Kulturen glauben, dass bei der Geburt der Geist von mindestens einem Krafttier freiwillig bei uns bleibt, um uns emotional und physisch gesund zu halten und uns auch vor Schaden zu schützen. Diese Tiere ähneln dem christlichen Glauben an Schutzengel.
Die andere Form des helfenden Geistes, mit der Schaman*innen arbeiten, ist eine Lehrer*in in menschlicher Form. Diese waren typischerweise die Götter und Göttinnen der Kultur, religiöse Figuren und Vorfahren, die helfen wollten.
Diese helfenden Geister arbeiten mit der Schaman*in zusammen, um dem Einzelnen, der Gemeinschaft und der Umwelt Heilung zu bringen. Die Hilfsgeister werden auch konsultiert, wenn Informationen benötigt werden.
Krankheit aus schamanischer Sicht
Schaman*innen betrachten den spirituellen Aspekt von Krankheit. Eine Krankheit kann sich auf emotionaler oder körperlicher Ebene manifestieren, aber die Schaman*in ist auf der Suche nach geistigem Ungleichgewicht oder Disharmonie.
Aus schamanischer Sicht gibt es drei klassische Krankheitsursachen. Es gibt eine unbegrenzte Anzahl an Heilungszeremonien, die durchgeführt werden können, um eine Heilung zu erzielen. Die helfenden Geister der Schaman*in diagnostizieren die Ursache und helfen dann, die erforderliche Behandlung zur Heilung durchzuführen. Die Schaman*in wirkt wie ein „hohler Knochen“, in dem er oder sie mit einem helfenden Geist und der Kraft des Universums zu einem Kanal für heilende Energien verschmilzt.
Die drei Ursachen von Krankheit sind Kraftverlust, Seelenverlust und geistiges Eindringen oder geistige Besetzung. Typischerweise gibt es eine Kombination von Ursachen. Selten sieht man eine Person, die nur einen Seelenverlust hat oder einfach nur einen spirituellen Eindringling.
Die helfenden Geister, die auf die menschliche Welt herabblicken, haben eine Perspektive, die von einer Praktiker*in oft nicht gesehen werden kann. Deshalb arbeiten Schaman*innen in Partnerschaft mit den helfenden Geistern bei der Heilungsarbeit.
Kraftverlust
Eine Ursache von Krankheit ist der Kraftverlust. Hier verliert ein Mensch sein Krafttier oder seinen Schutzgeist, der ihn beschützt hat. Typische Symptome von Kraftverlust sind chronische Depressionen, chronische Selbstmordneigungen, chronische Krankheiten und chronisches Unglück.
Wenn einer Schaman*in gezeigt wird, dass ein Kraftverlust stattgefunden hat, können verschiedene Zeremonien durchgeführt werden, um ein ehemaliges Krafttier oder einen Schutzgeist zurückzuholen, um Kraft und Schutz wiederherzustellen.
In meinen dreißig Jahren des Lehrens und Praktizierens von Schamanismus bin ich immer wieder erstaunt über die Kraft dieser einfachen Zeremonie. Ich habe gesehen, wie Menschen, die selbstmordgefährdet und depressiv sind, geheilt werden, wenn ihnen ein helfender Geist wiedergegeben wird.
Spirituelle Eindringlinge und besetzende Geister
Oftmals wenn einem Menschen seine lebenswichtige Essenz oder ein Schutzgeist fehlt, gibt es einen leeren Raum da im Körper, wo sich Seelenteile abgetrennt haben. Da das Universum keine Leere ertragen kann, besteht die Möglichkeit, dass etwas kommt und den Raum ausfüllt. Schaman*innen könnten einen spirituellen Eindringling wahrnehmen, der in einen Klienten eingedrungen ist, dem es an Kraft und vitaler Essenz fehlt.
Spirituelle Eindringlinge kommen von negativen Gedankenformen. In indigenen Kulturen verstehen die Menschen den Unterschied zwischen einerseits dem Ausdruck von Energie beziehungsweise Gefühlen und andererseits dem Senden von Energie. Im Westen verstehen wir den Unterschied oft nicht.
Es ist wichtig für uns, unsere Wut, Frustration, Trauer, etc. auszudrücken. Aber wir senden diese Energien in Form eines psychischen Pfeils oft uns selbst, anderen und der Umwelt. Und diese Energien können das manifestieren, was Schaman*innen spirituelle Eindringlinge nennen.
Die Anzeichen eines spirituellen Eindringens wären ein lokalisiertes Problem wie ein lokaler Schmerz oder irgendeine Form von Krebs. Da Schaman*innen nicht zwischen emotionaler und körperlicher Krankheit unterscheiden, kann sich ein geistiges Eindringen als chronische Wut oder Depression manifestieren.
Bei der Behandlung dieser Art von spirituellem Problem arbeitet die Schaman*in mit ihren helfenden Geistern zusammen, um die Art und den Ort des spirituellen Eindringens zu diagnostizieren. Und dann führt die Schaman*in eine Extraktion durch, bei der der Eindringling entfernt wird.
Als ich in den 80er Jahren mit meiner schamanischen Heilpraxis begann, spezialisierte ich mich auf Extraktion und hatte großen Erfolg mit dieser Arbeit bei der Behandlung von Krebs, Depressionen und sogar Problemen wie chronischer Müdigkeit und Lupus. Ich fand diese Heilmethode auch bei Frauen erfolgreich, die es schwer hatten, schwanger zu werden.
Schaman*innen heilen sowohl die Lebenden als auch die Verstorbenen. Die Verstorbenen werden durch Psychopomp-Arbeit geheilt. Dieses Wort kommt vom griechischen Wort psychopompous, was wörtlich übersetzt Seelenführer bedeutet. Wenn wir sterben, gibt es normalerweise einen anmutigen Übergang in eine transzendente Realität. Im Schamanismus sieht man den Bedarf an Unterstützung zum Beispiel, wenn jemand einen traumatischen Tod erleidet, wie im Fall von Mord, Unfall, Krieg, Drogenüberdosis, Selbstmord, Verwicklung in einen Terroranschlag. Es besteht die Möglichkeit, dass die Seele Hilfe beim Übergang in die transzendenten Reiche braucht. Der Grund dafür ist, dass die Seele im Fall eins überraschenden Todes verwirrt wird und hier in der so genannten Mittleren Welt stecken bleibt.
Ein Geist, der in der Mittleren Welt festsitzt, kann diese Welt durchstreifen oder in einen Menschen eindringen, dem seine lebenswichtige Essenz oder Kraft fehlt. Und das würde zu einer Besetzung führen. Dies kann aus schamanischer Sicht eine Ursache für Schizophrenie und multiple Persönlichkeit sein.
In diesem Fall ist es die Aufgabe der Schaman*in, eine Depossession-Arbeit durchzuführen, bei der sie den Geist aus der Mittleren Welt in eine transzendente Realität führt.
Viele indigene Kulturen kennen nicht die Art von emotionalen Krankheiten, die wir im Westen erleben, da Psychopomp-Arbeit regelmäßig durchgeführt wird, wenn Menschen sterben und auch die Notwendigkeit von Depossession-Arbeit sehr gut verstanden wird.
Seelenbeschaffung: Wie Schaman*innen Trauma heilen
Als ich für mein Buch „Auf der Suche nach der verlorenen Seele: Der schamanische Weg zu innerer Ganzheit“ recherchierte, fand ich heraus, dass die meisten schamanischen Kulturen auf der ganzen Welt glauben, dass Krankheit auf den Verlust der Seele zurückzuführen ist.
Es wird angenommen, dass immer wenn wir ein emotionales oder körperliches Trauma erleiden, ein Stück unserer Seele aus dem Körper flieht, um die Erfahrung zu überleben. Die Definition der Seele, die ich benutze, ist unsere Essenz, Lebenskraft, der Teil unserer Vitalität, der uns am Leben erhält und Erfolg hat.
Die Arten von Traumata, die Seelenverlust in unserer Kultur verursachen könnten, wären das Erleben jeder Art von Missbrauch: sexuell, physisch oder emotional. Andere Ursachen können das Erleben eines Unfalls, eines Kriegs, eines terroristischen Anschlags, eines Verstoßes gegen unsere Moral, einer Naturkatastrophe (Feuer, Hurrikan, Erdbeben, Tornado usw.), einer Operation, Sucht, Scheidung oder des Todes eines geliebten Menschen sein. Jedes Ereignis, das einen Schock verursacht, kann Seelenverlust nach sich ziehen. Und was bei dem einen Menschen Seelenverlust verursachen mag, könnte bei einem anderen keinen Seelenverlust verursachen. Schaman*innen glauben, dass Wecker Seelenverlust verursachen können. Ich denke, wir alle wissen, was sie damit meinen.
Es ist wichtig zu verstehen, dass das Erleben eines Seelenverlusts etwas Positives ist. So überleben wir den Schmerz. Wenn ich in einen Frontalzusammenstoß verwickelt wäre, wäre mein Körper der letzte Ort, an dem ich mich im Aufprallmoment befinden möchte. Meine Psyche konnte diese Art von Schmerz nicht ertragen. So hat unsere Psyche diesen genialen Selbstschutzmechanismus entwickelt, bei dem ein Teil unserer Essenz oder Seele den Körper verlässt, so dass wir die volle Wirkung des Schmerzes nicht spüren.
In der Psychologie spricht man von Dissoziation. Aber in der Psychologie sprechen wir nicht darüber, was dissoziiert und wohin dieser Teil geht. Im Schamanismus wissen wir, dass ein Stück der Seele den Körper verlässt, in ein Reich geht, das die Schaman*innen als nichtalltägliche Realität bezeichnen und wo sie wartet, bis jemand in dieses geistige Reich eintritt und ihr die Rückkehr in den Körper erleichtert.
Obwohl Seelenverlust ein Überlebensmechanismus ist, besteht das Problem aus schamanischer Sicht darin, dass der Seelenteil, der gegangen ist, normalerweise nicht von alleine zurückkehrt. Die Seele kann verloren gehen oder von einer anderen Person gestohlen werden, oder sie weiß nicht, dass das Trauma vorüber ist und es sicher ist, zurückzukehren.
Es war schon immer die Rolle der Schaman*in, in einen veränderten Bewusstseinszustand zu gehen und zu spüren, wohin die Seele in den alternativen Realitäten geflohen ist und sie in den Körper der Klient*in zurückzubringen.
Es gibt viele Symptome für Seelenverlust. Einige der häufigsten sind Dissoziationen, bei denen sich ein Mensch nicht ganz in seinem Körper zu Hause fühlt, nicht lebendig und sich nicht voll im Leben engagiert. Andere Symptome sind chronische Depressionen, selbstmörderische Tendenzen, posttraumatisches Stress-Syndrom, Immunschwächeprobleme und Trauer, die einfach nicht heilen. Sucht ist auch ein Zeichen von Seelenverlust, wenn wir nach externen Quellen suchen, um die leeren Räume in uns zu füllen, sei es durch Substanzen, Nahrung, Beziehungen, Arbeit oder den Kauf materieller Objekte. Jedes Mal, wenn jemand sagt: „Ich bin seit einem bestimmten Ereignis nie mehr dieselbe gewesen“ und sie das nicht auf eine gute Art und Weise meinen, ist wahrscheinlich ein Seelenverlust eingetreten.
Man kann wirklich sehen, wie viel Seelenverlust es heute gibt, denn Geld ist mittlerweile mehr wert als das Leben. Immer wenn jemand sagt, dass wir andere Lebensformen für materiellen Gewinn töten müssen, muss diese Person unter Seelenverlust leiden. Immer wenn jemand das Gefühl hat, dass der Kauf eines weiteren Autos oder das Sammeln von materiellen Gegenständen Glücklichsein bringt, leidet diese Person unter dem Verlust ihrer Seele. Wir stehen heute einer Menge planetarischen Seelenverlusts gegenüber, was sich bemerken lässt, wenn wir uns ansehen, wie wir uns einander gegenüber und dem Rest des Lebens gegenüber verhalten.
Koma ist auch Seelenverlust. Aber bei Komapatient*innen befindet sich mehr von der Seele außerhalb des Körpers als im Körper. Die Arbeit mit dem Koma ist heute aus vielen Gründen sehr kompliziert. Es braucht Geschicklichkeit seitens der Schaman*in, um herauszufinden, welchen Weg die Seele zu gehen versucht. Will die Seele in den Körper zurückkehren? Oder braucht sie Hilfe dabei, weiterzugehen, was zum Tod der Patient*in führen würde? Es gibt viel zu diesem Thema zu sagen und es übersteigt den Rahmen dieses Artikels.
Heute ist ein Wiederaufleben des Schamanismus und der schamanischen Praxis festzustellen. Wir haben jetzt viele Hunderte von wunderbaren schamanischen Praktiker*innen, die die Praxis der Seelenrückholung wieder in unsere Kultur einführen. Und ich habe Tausende von Fallstudien über die erfolgreiche Heilung einer Vielzahl von emotionalen und körperlichen Problemen gesammelt.
Es ist interessant festzustellen, dass Menschen, die in schamanischen Kulturen einen Seelenverlust erlitten haben, innerhalb von drei Tagen nach einem Trauma eine Seelenrückholung erhalten. Heute, da wir keine Seelenrückholung praktizieren, gehen die modernen Praktiker*innen zehn, zwanzig, dreißig oder vierzig Jahre oder sogar noch mehr zurück und suchen nach verlorenen Seelenteilen.
Auch in einer schamanischen Kultur wissen die Einzelpersonen, was in ihrem Leben aus dem Gleichgewicht geraten ist, was eine Krankheit oder ein Problem verursacht haben könnte.
In unserer Kultur sind wir uns dessen nicht bewusst, was passiert, wenn etwas nicht in spiritueller Harmonie ist. Und oft geschieht der Seelenverlust in so jungen Jahren, dass wir uns der unbewussten Muster, die wir durch unseren ersten Seelenverlust ausleben, nicht bewusst sind. Wir versuchen immer, unsere Seele zurückzuholen. Meist machen wir das, indem wir das gleiche Trauma immer und immer wieder wiederholen. Die Namen der Menschen, die an unserer Lebensgeschichte beteiligt sind, mögen sich ändern, aber die Geschichte ist oft die gleiche.
Nach einer Seelenrückholung fühlen sich die Menschen in ihrem Körper und in der Welt präsenter, sie werden sich eines Verhaltens bewusst, das aus dem Gleichgewicht geraten und disharmonisch ist. Wenn wir abgestumpft sind, wissen wir vielleicht, dass die Dinge in der Welt nicht richtig sind, aber wir können uns leicht vom Bedürfnis nach Veränderung ablenken lassen. Wenn wir völlig „inspiriert“, also „begeistert“ sind, gibt es keinen Ort, an den wir uns zurückziehen können, und wir sind inspirierter, unser Leben zu verändern.
Ich glaube, dass die Klient*in selbst auch etwas dazu beitragen muss, sobald sie ihre Seele zurückbekommen hat, Wenn die Person viel persönliche Arbeit geleistet hat, könnte die Seelenrückholung das Ende der Arbeit sein. Wenn nicht, wäre die Seelenrückholung der Anfang der Arbeit.
Sobald irgendeine Art von schamanischer Heilarbeit durchgeführt wird, ist es Sache der Klient*in, sich zu überlegen, wie sie einen gesunden Lebensstil schafft und gesunde Beziehungen anzieht, die die Ganzheit und ein Leben voller Heilung unterstützen. Wie wollen wir die Energie, die von der Seelenrückholung und unserer zurückgekehrten Vitalität zurückgegeben wurde, nutzen, um eine positive Gegenwart und Zukunft für uns selbst zu schaffen? Und wie bringen wir Leidenschaft und Sinn wieder in unser Leben zurück, damit wir ein gelingendes Leben führen, anstatt nur zu überleben? All diese Themen nenne ich „Leben nach der Heilung“ und sie sind entscheidend für eine langfristige Heilung nach einer Seelenrückholung oder Extraktion.
Ich schreibe über spirituelle Praktiken, die wir in unser Leben einführen können, um eine positive Gegenwart und Zukunft zu schaffen, in meinen Büchern „Heimkehr der Seele: Schamanische Selbstheilung“, „Heilung für Mutter Erde: Wie wir uns und unsere Umwelt verwandeln können“ sowie „Gut leben in schwieriger Zeit: Schamanische Techniken für Gesundheit, Wohlstand und Frieden“.
Das ist eine lebenswichtige Arbeit für die Zeit, in der wir leben. Die Erde möchte ihre Kinder zu Hause haben und sie will sie jetzt zu Hause haben. Es ist Zeit, wieder nach Hause zu kommen und unseren rechtmäßigen Platz auf der Erde einzunehmen. Es ist unser Geburtsrecht, unsere Seelen voll auszudrücken und die Welt zu erschaffen, in der wir leben wollen. Und es ist unser Geburtsrecht, so hell zu leuchten wie die Sterne über uns. Es ist Zeit, unser Licht wieder in der Welt zu teilen.
Copyright © 2012 Sandra Ingerman. Alle Rechte vorbehalten.
Übersetzung Astrid Johnen